04.10.2025 –, Toulon (A030)
Osmanische Gesandte, Kaufleute und Reiselustige gab es in Europa schon seit der Entstehung des Osmanischen Reiches. Doch erst ab dem 19. Jahrhundert kann man von der Entstehung eines eigenständigen Genres der „Europa-Reiseberichte“ sprechen. Fasziniert vom technologischen Fortschritt Europas, begaben sich immer mehr Osmanen auf die Reise in das „Kontinent der Zukunft“ und berichteten ihren Lesern in Istanbul, Izmir oder Bursa mit Leidenschaft und Dringlichkeit, was sie dort gesehen und gelernt haben. Es war, glaubten viele, für das Osmanische Reiche überlebenswichtig, Europa bis ins kleinste Detail kennenzulernen, sich ihr Wissen anzueignen und auf ihr zivilisatorisches Niveau hochzusteigen. Der Vortrag geht der Frage nach, wie Reisende aus Istanbul von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang der Ersten Weltkrieges Europa „entdeckt“ haben, wie sich ihre Wahrnehmung der „Heimat“ dadurch verändert hat und wie sie dabei eine neue, imaginierte Geographie der Welt entwickelt haben.
Petr Kucera ist seit April 2021 Professor für turkologische Literaturwissenschaft am Institut für Slavistik, Turkologie und zirkumbaltische Studien der JGU Mainz. Nach seinem Studium der Turkologie und Islamwissenschaft in Prag, Istanbul, Ankara und Princeton und seiner Promotion in Prag war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Karls-Universität in Prag sowie Gastwissenschaftler an der Universität London. Von 2016 bis 2021 war er als Juniorprofessor für Turkologie an der Universität Hamburg tätig. Seine Schwerpunkte in Forschung und Lehre liegen im Bereich spätosmanische und frührepublikanische Kulturgeschichte, moderne türkische Literatur und Reiseberichte. Außerdem übersetzt er literarische Werke aus dem Türkischen ins Tschechische.